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f.)     Geistgesteuerte Nachschöpfung
[...] 'In' den Plastiken von U.S. ist Natur zweimal: Sie ist in den Vor-Bildern und im Material. Die Objekte sind verdinglichte Antworten auf Seherfahrungen, Ding-Strukturen, die die Herausforderung Natur annehmen und beantworten: Natur, das meint Mond und Sterne, Wald und Reh, aber auch allgemeiner und weniger freundlich empfunden - Fliegendes, Landschaften, Pflanzen und Menschen; Menschen als Körper, die schreiten, die tanzen. Dieses Natur-Erfahren ist nicht immer sanft 'schön', oft wird verunsichernde Bedrohung erlebt. Diese Irritation ureigener Lebensökonomie - wie sie nun immer auch emotional gefärbt sein mag - stößt, kaum daß es Naturskizzen gibt, das gedanklich vorbereitende Arbeiten an den Objekten an und trägt es - um sich am Ende in die räumlichen Objekte eingebracht und durch sie aufgehoben, 'bewältigt' zu sehen. Die Plastiken sind an und aus dem Material, das U.S. materialhaft wie gedanklich gerade interessiert, entwickelt - Stück um Stück bei den Holzarbeiten. Diese hölzernen Objekte sind konstituiert wesentlich durch Parallel- und Gegenläufe der einzelnen Holzteile zueinander, Maserung, durch handwerkliche, eine gewisse Zeitlosigkeit herstellende Verarbeitung und durch jene Kantig- und teilweise eckige Sperrigkeit, die nur mit Brett- und Balkenwerk herzustellen möglich ist. In der hölzernem eigenen Weise wird hier durch das Zu- und Ineinanderstellen einzelner plastischer Teile versperrt und gestellt. Wie beinah alle Plastiken haben auch die von U.S., gleich, aus welchem Material sie gemacht sind, als das ihre Wirkung tragende Masse und Umriß. Dieser verändert sich beim Umschreiten, bei einigen Objekten hat der Betrachter ein derartiges Mass an Mehr-Einsichten, daß ein Umschreiten die Plastik erst zu dem macht, was sie ist, nämlich zu einer Frei-Plastik im Wortsinne. Alle Objekte verzichten auf Farbe, sie sei denn die des Materials, wie es ist oder im Laufe seiner zeitlichkeit wird. Sie haben keine Flächenverzierungen, Ornamente. Splittrige Expressivität oder der Gestus himmelstürmender Extase sind den Objekten fern. Das Lebendige (Tänzer) oder das lebendig verwurzelte (Pflanzen) sind in die Objekte eingebracht. Die Plastiken sind nicht organisch im Sinne ihrer Vor-Bilder, sie erscheinen und wirken vielmehr rational im Sinne einer geistgesteuerten, erneuernden Nachschöpfung. Diese Nachschöpfung 'verbessert' nichts, sie macht das Vorhandene erkennbar. Diese Vorbilder (Mensch, Pflanze) sind denkbar einfach und trivial - das Um-Denken und das Um-Setzen dieser Objekte, die wir vor uns haben, die wir sehen, anfassen, betasten können, sind eine zweite Weltschöpfung. Natürlich nicht im Sinne von second-hand. 'Kunst', wenn sie eines vermag, weist exakt auf die Lücke zwischen möglicher menschlicher Phantasie und den uns in der Industriegesellschaft aufgegebenen zweckrationalen Verhaltensformen. Dies Aufzeigen eines Zuwenig kann das nötige Mehr herstellen helfen. Die von U.S. gefundenen Zeichen teilen ésprit und Wissen mit, sie teilen sie mit aus und in sinnlicher Körperlichkeit, die neben - vergleichend gesehen - maillolsche Leiblichkeit spiegelnder Haut eine gedanklich-gestische, material-gefundene setzt. Diese nur und nur plastischen Dingen eigene Körperlichkeit ist geistig und leiblich und zeitlich; die beiden ersten Werte teilen sich unmittelbar mit, der letzte, der zeitbeschreibende, stellt sich - meine ich - beim reflektierenden Umgang mit den Sachen von U.S. her. [...] Geistgesteuert, reflektiert und verstanden ?

Quelle:
Auszug aus einem Pressetext zu einer Ausstellung mit Holzskulpturen von U.S.
in der Kunsthalle Bremerhaven 1975
Presseinformation der Galerie Lietzow, Berlin
Autor:
Prof. Hermann Wiesler, Berlin